Interview zur Wohnpolitik im Kleinbasel

16. März 2018


Wie stark wirken sich politischen Entscheide – wie zum Beispiel die Nullzins-Strategie der Nationalbank – auf den Bausektor und die Gesellschaft aus?
Kann sich in einer Stadt wie Basel die Gesellschaft weiterhin leisten, günstigen Wohnraum zu gentrifizieren?
In vier Folgen wollen wir diesen Fragen nachgehen.

Interview  Nicholas Schaffner, 16. März 2018

Andreas Kost, du hast dich auf Gesamtsanierungen, Umbauten und den Werterhalt von Gebäuden spezialisiert. Wie beurteilst du den Wohnungsmarkt aus deiner Sicht?
«In Basel-Stadt wurde in den letzten 15 Jahren viel unternommen. Tausende Gebäude wurden mit energetischen Sanierungsmassnahmen verbessert. Verantwortungsbewusste Eigentümerinnen und seriöse Verwaltungen kümmern sich regelmässig um Unterhalt und Erneuerung und sichern den Werterhalt der Liegenschaften vorbildlich ab. Altbauten die nicht regelmässig unterhalten werden und als Kaufobjekt für Immobilienspekulation missbraucht werden sind eher das Problem.»

Weshalb ist es in Basel immer schwieriger bezahlbare Mietwohnungen zu finden?
«Die aktuelle Statistik des Bundesamts zeigt auf, dass 2017 die öffentliche Hand schweizweit 5,7 Prozent der vor 1946 erstellten Bauten besitzt, dagegen an den Mietobjekten, die ab 2000 erstellt wurden, bloss 2,4 Prozent.

Einige Altbauten die nicht unterhalten wurden sind neben anderen Käufern von Immobilienfirmen gekauft worden, um maximale Renditen einzufahren. Damit werden in der Regel Teilzeitbeschäftigte, Jungfamilien und Rentner mit knappen Budgets aus Ihren Wohnungen vertrieben und die Liegenschaft wird statt renoviert – luxuserneuert. Der Verlust von günstig sanierbarem Wohnraum muss immer mehr über Fürsorgeabhängigkeit oder Ergänzungsleistungen «refinanziert» werden, das gibt mir zu denken.»

Tabelle Übersicht zur Armutsberichterstattung der Kantone
Quelle: Bundesamt für Sozialversicherungen

Was sind die Gründe dieser Entwicklungen und was bedeutet das für die Gesellschaft in Zukunft?
«Die Bankenkrise 2008 und die Billiggeldpolitik der Nationalbank hat im Stadtkanton zu einer unausgewogenen Entwicklung geführt: Grossbanken, nationale Versicherungsgesellschaften und Pensionskassen haben Ihre Liegenschaftsportefeuilles auf Luxussanierungen oder Ersatzneubauten im Stockwerkeigentum ausgerichtet. Gemäss Bundesamt wohnen im Sommer 2017 in Basel-Stadt die meisten Mieter und Mieterinnen, nämlich 83 Prozent. Nur wenn die Stadterneuerung ausgewogen ist und allen Bevölkerungsgruppen Wohnraum ermöglicht, können nachhaltige Entwicklungen stattfinden, weil sonst finanziell schwächere Gruppen aussortiert werden.»

Gibt es überhaupt Möglichkeiten diesen Entwicklungen entgegenzutreten?
«Es ist illusorisch zu glauben, dass Kleinverdienende, welche keine bezahlbaren Mietwohnungen finden «sich in Luft auflösen». Die Stadtplanungsbehörde und stadteigene Immobilienbewirtschaftung sind angehalten, einen ausgewogenen Anteil der Erneuerungsprozesse in günstig sanierbare Altbauten zu investieren – das sind wir der nächsten Generation schuldig.»

Welche Vorteile bietet eine Sanierung gegenüber einem Abriss und Neubau?
«Die Vorteile der Sanierung, beispielsweise der Wert der Gebäudesubstanz, werden oft ausgeblendet. Ich empfehle jeder Mehrfamilienhausbesitzerin grundsätzlich einen Kostenvergleich zwischen Neubau und Sanierung zu erstellen, bevor Hypothekengespräche stattfinden.
Auch ein Altbau kann nämlich ganz gut mit Auf- und Anbauten optimiert werden. Wenn ein Altbau mit einfachem Erneuerungsstandard modernisiert und mögliche An- und Aufbauten geprüft werden, und die Bewohnerschaft in den Erneuerungsprozess involviert werden sind viele Mietende bereit, einen Mietaufschlag zu akzeptieren. Viele Menschen sind hier stark verwurzelt, deshalb ist ein behutsames Vorgehen für alle Beteiligten ratsam.»

Können sich in Zukunft nur Reiche die Stadt leisten?
«Die Annahme der Anpassung des Raumplanungsgesetzes durch das Volk 2013 will im Grundsatz die Zersiedelung in der Schweiz stoppen, die Landreserven schonen und den zukünftigen Wohnungsbau durch «Verdichtung» effizienter bewirtschaften. Der Leerwohnungsbestand in Basel-Stadt ist mit 0,5 Prozent (Stand August 2017) einer der tiefsten in der Schweiz. Der Fürsorge und dem sozialen Wohnungsbau fehlen immer mehr finanzierbare Wohnungen für Rentner, Betagte, Jungfamilien und Teilzeitbeschäftigte. Im nationalen Abschlussbericht zur Prävention und Bekämpfung von Armut* wird festgehalten : – dass 83,5 Prozent der Haushalte armutsbetroffener Menschen in der Schweiz ungenügend wohnversorgt sind.
Das Hauptproblem ist die zu hohe Wohnkostenbelastung. In den Städten mit gesättigten Wohnungsmärkten wird die Problematik der Wohnkostenbelastung besonders deutlich.»

Vielen Dank für das Interview

4057 Basel, Quartierzeitung mozaik